Blumensteins Patienten geht es seit Jahrzehnten immer schlechter. Dem Bericht zufolge sind vier von fünf Bäumen krank. Gemessen wird die Dichte der Baumkronen als Indikator für die Vitalität der Bäume. Die mittlere Kronenverlichtung sei im Durchschnitt aller Baumarten von 26,7 Prozent auf 25,9 Prozent zwar geringfügig gesunken. Aber mit 6,7 Prozent sei ein Höchststand bei der Ausscheiderate erreicht worden, also dem Anteil der Bäume, die seit der letzten Erhebung abgestorben sind.
Deutschland hinkt nach Ansicht von Blumenstein bei der Erforschung dieser Phänomene hinterher. Skandinavien etwa sei da schon viel weiter, auch weil es wirtschaftlich stärker auf die Wälder angewiesen sei. Blumenstein fordert mehr Forschungsmittel: "Nur, wenn wir besser verstehen, was in unseren Bäumen genau passiert, können wir ihnen in Zukunft besser helfen."
Blick auf molekulargenetische Biomarker
Für die Freiburgerin ist auch die internationale Vernetzung der Baumpathologen wichtig, um schneller wichtige Informationen auszutauschen. Denn durch molekulargenetische Biomarker kann man nachverfolgen, woher ein Pilz kommt, wo er sich ausbreitet und prognostizieren, wohin er wohl weiter zieht. So können sich Regionen auf die ungebetenen Gäste einstellen und resilientere Bäume pflanzen. Dazu eignen sich sogenannte Hybride, also Kreuzungen etwa von Esche oder Ulme mit importierten Bäumen. Blumenstein: "Wir werden uns von einigen einheimischen Baumarten verabschieden müssen und uns danach richten, welche Baumarten in 50 Jahren bei wärmerem Klima und neuen invasiven Arten noch vital bleiben."
Das Thema Baumgesundheit ist auch in Städten zunehmend relevant. Bäume binden Schadstoffe, spenden Schatten und sind Lebensräume für Vögel und Insekten. Kranke Bäume hingegen bergen Gefahren für den Verkehr und müssen gelegentlich weichen. Beispiel Mannheim: Nach einem Sturm Mitte April meldete die Stadt 30 beschädigte Bäume in ihren Parks und 5 nicht mehr zu rettende Exemplare.
Oft ist der Grund von Baumfällungen nicht so augenfällig. "Da die Zersetzung äußerlich erst spät zu sehen ist, ist die Kritik am Fällen vermeintlich gesunder Bäumen groß", heißt es beim Deutschen Städte- und Gemeindebund. Die Kommunen seien aber bei diesem Thema sehr sensibilisiert und informierten in der Regel umfassend über die Notwendigkeiten, sei es über amtliche Mitteilungen oder Veranstaltungen mit Sachverständigen, sagt die Referatsleiterin Kommunalwald bei dem Verband, Ute Kreienmeier. Sie fügt hinzu: "Heute legt keiner mehr die Axt an einen Baum, ohne dafür gute Gründe zu haben."